In der freien Natur ist zu beobachten, dass ein Kalb während den ersten sechs Lebenswochen neben der Milch kaum Grundfutter aufnimmt. Während dieser Phase muss dem Kalb viel Milch zur Verfügung stehen, damit es sein gesamtes Wachstumspotenzial ausschöpfen kann. Langzeitstudien in der Milchviehaufzucht zeigen, dass Tageszunahmen über 1000g in den ersten 80 Lebenstagen einen wesentlichen Einfluss auf die spätere Einsatzleistung haben. Vor allem die ersten 40 Lebenstage eines Kalbes sind entscheidend.
Für die Euterzellen
Weshalb ist die frühe Entwicklung so wichtig für die Zukunft der Tiere? Die Zellphysiologie erklärt es: In den ersten Lebenstagen entscheidet sich, wie viele Zellen im Euter für die Milchbildung angelegt werden und aus wie vielen Zellen die Lunge oder das Herz der Tiere besteht. Bis etwa zum 40. Lebenstag erfolgt das Wachstum der Organe durch Zellteilung. Dies nennt man hyperplastisches Wachstum oder auch metabolische Programmierung. Anschliessend wachsen die Organe in Volumen und Masse hauptsächlich durch Zellvergrösserung, also hypertrophisches Wachstum. Neue Zellen entstehen ab dann nur noch, um abgestorbene Zellen zu ersetzen.
Geburtsgewicht beachten
Weshalb das Geburtsgewicht bei der schnellen Milchsteigerung in den ersten zwei Lebenswochen beachtet werden sollte, zeigt eine grosse Studie. Besonders Kälber mit hohem Geburtsgewicht sind bei der restriktiven Tränke im Nachteil. Sie haben ein höheres Wachstumspotenzial, das aber häufig nicht ausgeschöpft wird. Diese Kälber nehmen in den ersten Wochen oft weniger zu als leichtere Kälber. Sobald die Milch reduziert wird und die Kälber mehr Festfutter aufnehmen, holen die schweren Kälber zwar wieder auf und übertreffen die leichteren in den Zunahmen. Die Unterversorgung in der Phase der Zellvermehrung ist jedoch nicht mehr zu kompensieren
Stressfreies Abtränken
In der Praxis gibt es viele Möglichkeiten, den Tränkeplan zu gestalten, ob ad libitum oder semi ad libitum. Die Fütterung des jungen Kalbes sollte sich immer möglichst nah an der natürlichen Aufzucht unter der Mutter ausrichten. Wichtig ist, dass dem Kalb vor der siebten Lebenswoche die Milch nicht reduziert wird, um Stress zu vermeiden. Empfohlen wird die Tränkephase eines Kalbes mit der einfachen 2/5/10 Regel, die insgesamt 17 Lebenswochen dauert. In der Praxis bewährt sich, die Milch während den ersten zwei Lebenswochen von 6 auf 12 Liter zu erhöhen, dabei sollte das Geburtsgewicht beachtet werden. Bei leichten Kälbern sollte die Milch sanfter erhöht werden als bei schweren Kälbern. Ab der zweiten bis zur siebten Lebenswoche soll den Kälbern 12 Liter angeboten werden, was 1560g Trockensubstanz über Milchprodukte entspricht. Untersuchungen zeigen, dass ein Kalb mit 12 Litern Milch bedarfsgerecht versorgt ist. Ab der siebten Lebenswoche soll die Milchmenge wöchentlich um einen Liter reduziert werden. Diese schonende Abtränkemethode ermöglicht, dass das Kalb die Aufnahme von Kraft- und Grundfutter langsam steigern kann und beim Absetzen kein Energiedefizit entsteht. Hiermit kann das Kalb stressfrei abgetränkt werden.
Mit Milchpulver ergänzen
Die beste und natürlichste Tränke ist die Milch der eigenen Mutter. Nach der Biestmilchphase ist daher Vollmilch eine gute Möglichkeit bei der Versorgung der Kälber. Ökonomische Belange sind jedoch bei der Wahl des Tränkeplans wichtig, denn jeder Tränketag kostet Geld. Aus diesem Grund ist die Ergänzung mit Milchpulver sinnvoll. Entscheidet man sich für Milchpulver, sollte dieses von hoher Qualität sein und einen Magermilchpulveranteil von mindestens 50 Prozent aufweisen. Um der Vollmilch nachempfunden zu sein, soll bei reiner Pulver-Wasser-Fütterung mindestens 130g pro Liter dosiert werden.
Nur das Beste
Auch wenn das Kalb zu Beginn noch nicht viel Grundfutter aufnimmt, soll Heu von bester Qualität ab dem ersten Lebenstag angeboten werden. Ab der zweiten Lebenswoche empfiehlt sich das Vorlegen von Aufzuchtfutter, idealerweise wird dies mit einer TrockenTMR verabreicht. Diese besteht aus Heu, getrockneter Luzerne, Aufzuchtfutter und einem Verzehrsförderer. Diese kann während der gesamten Tränkephase mit Heu zur freien Verfügung verabreicht werden. Eine nennenswerte Kraftfutteraufnahme beginnt erst ab der siebten Lebenswoche. Um die Pansen-/ Darmwand zu stabilisieren und die Entwicklung der Pansen-/ Darmzotten zu fördern, können Hefekulturen über das Aufzuchtfutter verfüttert werden. Die Pansen- und Darmzotten erreichen eine grössere Resorptionsfläche und führen zu einer effizienteren Verdauung und höheren Tageszunahmen.